Ein Meeresbiologe richtet seinen Blick gen Himmel
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Alberto Piñas Engagement für die Forschung zum Schutz von Seevögeln in seinem Heimatland Mexiko erforderte Durchhaltevermögen. Sein Rat für die nächste Generation von Naturschützenden: „Gebt nicht auf.“
Alberto Piña hält das Küken eines Rotschnabel-Tropikvogels während einer Feldexpedition auf der Peña Blanca Islet, Colima (Mexiko). Foto: Alberto Piña Ortiz
Als Bachelorstudent der Meeresbiologie an der Universidad del Mar in Mexiko war Alberto Piña von Seevögeln fasziniert:
„Ich entdeckte, wie unglaublich vielfältig diese Gruppe ist. Vögel findet man in so vielen Lebensräumen – im Meer, in Küstenregionen, Wüsten, Bergen – und sie unterscheiden sich enorm in Farbe und Größe. Selbst wenn man nur über Seevögel spricht: Sie sind in den Ozeanen von den Polen bis zu den Tropen weltweit verbreitet. Es ist erstaunlich, wie vielfältig und beeindruckend diese Tiere sind.“
Seine akademischen Betreuer teilten seine Begeisterung für Seevögel jedoch nicht und bestanden darauf, dass diese nicht als Meereslebewesen gelten. Doch Piña konnte sich nicht mehr von ihnen lösen.
Obwohl er gerade erst am Anfang seiner wissenschaftlichen Laufbahn stand, war er überzeugt, dass Seevögel eine wichtige Rolle in marinen Ökosystemen spielen, und war fest entschlossen, Forschende zu finden, die seine Sichtweise teilten.
Im Jahr 2010 führte seine Suche ihn zu Professor Guillermo Fernández an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM), dessen Labor Wasservögel untersucht. Dort traf Piña auf Dr. Alfredo Castillo-Guerrero, einen der wenigen mexikanischen Forscher, die sich mit Seevögeln beschäftigen. „Im Grunde war er wie ein Mentor, den man früh in seiner Karriere findet“, sagt Piña.
Während Piñas Bachelor- und Masterstudium arbeiteten die drei an mehreren Forschungsprojekten zusammen, die sich dem Schutz von Wasservögeln im Nordwesten Mexikos widmeten. Besonders interessierte sich Piña für den Rotschnabel-Tropikvogel, einen beeindruckenden Seevogel, der für seine akrobatischen Flugmanöver bekannt ist. Durch die Untersuchung der genetischen Vielfalt und Bewegungsmuster dieser und anderer Wasservogelarten entlang des mexikanischen Pazifiks wollten die Forschenden bedeutende Meeresschutzgebiete identifizieren. „Wenn man sie schützen will, muss man zunächst wissen, welche Räume oder Gebiete sie nutzen. Wenn Fischerboote oder Schiffe dieselben Gebiete befahren, müssen wir die Bereiche, die [die Boote] nutzen, abgrenzen oder einschränken“, erklärt Piña.
Ein Rotschnabel-Tropikvogel kehrt von der Nahrungssuche zurück. Foto: Sandy Castañeda
Die Forschung des Teams zeigte, dass die lokale Rotschnabel-Tropikvogel-Population eine geringere genetische Vielfalt aufweist als bisher angenommen. Das bedeutet, dass gezielte Schutzmaßnahmen erforderlich sind, um einen Rückgang der Population zu verhindern. Dr. Castillo-Guerrero bot Piña eine Promotionsstelle an, um diese Fragen weiter zu vertiefen, doch Piña fühlte, dass es an der Zeit war, das Nest zu verlassen. „Ich wollte mich selbst herausfordern und mit den, wie wir im Spanischen sagen, vacas sagradas arbeiten – also mit den Besten der Besten“, sagt Piña.
Piña wusste, dass eine Promotion bei den führenden Seevogel-Forschenden internationale Kontakte erfordern würde, und dass er dafür zunächst sein Englisch verbessern musste. Auf den Rat seiner Eltern, die er als „Vorbilder in seinem Leben“ beschreibt, meldete er sich für Englischkurse in Mexiko an. Doch schnell stellte er fest, dass diese nur begrenzt weiterhelfen würden. „Ich habe die Kurse abgeschlossen und hatte das Gefühl, dass es nicht genug war. Man muss wirklich üben, mit Leuten sprechen“, sagt Piña.
Ein kleiner Umweg
Im Jahr 2018 entschied er sich, nach Irland zu ziehen, einem erschwinglichen, englischsprachigen Land, das Ausländer:innen willkommen heißt. Für anderthalb Jahre legte er seine Forschung auf Eis und arbeitete in der Gastronomie, um seine immersive Englisch-Erfahrung zu finanzieren. „Zuerst ging ich jeden Tag nur zum Englischunterricht, dann begann ich nachmittags und abends, im Restaurant zu arbeiten. Ich habe viele wirklich nette Menschen kennengelernt und habe immer noch Kontakz zu ihnen“, sagt Piña.
Während seine akademischen Mentoren besorgt waren, dass ih das von seiner Forschungskarriere ablenken würde, sah Piña diesen Schritt als strategische, langfristige Investition in seine Ausbildung. Wie er beschreibt: „Meine Eltern haben mir immer gesagt: ‚Unser Erbe für dich wird deine Ausbildung sein. Du musst verstehen, dass Bildung ein mächtiges Werkzeug für dich sein kann.‘“
Mit guten Englischkenntnissen begann Piña, potenzielle PhD-Betreuer zu kontaktieren. Anstatt nach Möglichkeiten zu suchen, in ein bestehendes Projekt einzutreten, präsentierte Piña hartnäckig seine eigene Forschungsagenda, die sich auf den Schutz von Seevögeln in Mexiko konzentrierte. „Ich wollte mein eigenes Projekt machen, weil dies auch mein Beitrag für mein Land ist, würde ich sagen. Ich möchte weiterhin mit Seevögeln in Mexiko arbeiten … Es ist die Art und Weise, wie ich mit meinen Wurzeln und den Menschen dort in Kontakt sein kann. Ich möchte die Brücke sein zwischen dem Ort, an dem ich landen werde, und Mexiko. Ich weiß, wie hart der Weg ist.“
Aller guten Dinge sind drei
Trotz der Begeisterung für seine vorgeschlagene Forschung hatte Professor Quillfeldt keine Mittel für eine Doktorandenstelle. Piña ließ sich jedoch nicht von fehlender Finanzierung abhalten. Seine Antwort war: „Okay, das ist kein Problem. Ich werde mir mein eigenes Stipendium besorgen.“
Er fand ein Förderprogramm – das Consejo Nacional de Humanidades, Ciencias y Tecnologías –, das Stipendien für mexikanische Forscher:innen bietet, um ein PhD-Programm im Ausland zu absolvieren. Leider war eine Bewerbung nur einmal im Jahr möglich und Piñas ersten beiden Bewerbungen waren erfolglos. Doch Piña gab nicht auf und reichte 2021 eine dritte Bewerbung ein, die schließlich erfolgreich war.
Mitglieder der Arbeitsgruppe Vögel suchen nach Küstenvögeln in Santa Maria Bay, Sinaloa. Foto: José Alfredo Castillo Guerrero
Glücklicherweise sprang Dr. Castillo-Guerrero ein, Piñas Seevogel-Mentor, und unterstützte Piña, indem er ihm vorübergehend eine bezahlte Stelle als Forschungstechniker anbot. Dadurch konnte Piña mit seiner Feldforschung beginnen, während er auf eine Förderzusage wartete.
Als Piñas Stipendienbewerbung angenommen wurde, befand er sich bereits mitten in einem vierjährigen deutschen PhD-Programm. Trotz der intensiven Anforderungen, Feldforschung zu betreiben und gleichzeitig als Techniker zu arbeiten, war Piña in seinem Element. „Im Feld bin ich wie ein Hund ohne Leine. Ich laufe einfach herum, entdecke und bin super glücklich“, sagt er.
Piña verteidigte in diesem Jahr seine Doktorarbeit und bewirbt sich nun für mehrere Postdoktorandenprogramme in Europa. Wenn er über seine Motivation spricht, die Biologie des Naturschutzes zu verfolgen, sagt er: „Ich möchte all das Geld und die Mühe, die mein Land in mich investiert hat, zurückzahlen, indem ich mit Forschung und Wissen etwas zurück gebe.
In diesem Fall möchte ich, dass meine Taten dazu beitragen, unsere Biodiversität und Lebensräume zu bewahren und das Bewusstsein unter jungen Menschen für die Verbindungen, die wir mit der Natur haben, zu schärfen.“
Piñas Engagement, die Naturschutzforschung in Mexiko zu stärken, prägt weiterhin seinen Karriereweg. „Pionierforschung zum Thema Seevogelschutz in Mexiko wurde von Menschen aus anderen Ländern gemacht. Die meisten dieser Menschen kamen aus den USA oder aus Deutschland. Das ist nicht schlecht, damit bin ich einverstanden, aber für mich ist es irgendwie traurig, und ich frage mich: Warum müssen Menschen von anderswo kommen und unsere Aufgaben oder Pflichten übernehmen?“
„Gib nicht auf“
Obwohl ihn seine akademische Reise weit von seiner Heimat entfernt hat, bleibt Piñas Forschung fest in Mexiko verwurzelt. Er möchte ein Beispiel setzen, das die mexikanische Jugend dazu motiviert, Hüter:innen ihres Landes zu werden. „Mein Motto, oder ich würde sagen, mein Ziel, ist genau das: Den neuen Generationen die Möglichkeit oder den Raum zu geben, die richtigen Dinge zu tun. Es gibt Möglichkeiten, wenn du Naturschutz betreiben möchtest. Gib nicht auf.“
[Dieser Artikel ist Teil einer gelegentlichen Serie, in der wir Forschende vorstellen, die uns dabei helfen, reborn Artikel1 zu entwickeln, die wissenschaftliche Erkenntnisse für Menschen und Maschinen nutzbar machen.]
Drei Fragen zu „Reborn-Artikeln
Was hat dich zur Beschäftigung mit Reborn-Artikeln motiviert?“
Meine Entscheidung war zunächst durch Neugier motiviert. Ich bin ein überzeugter Befürworter davon, dass Wissenschaft und Forschung für alle zugänglich sein sollten. Als ich von „Reborn-Artikeln“ las und wie sie wissenschaftliche Erkenntnisse maschinenlesbar machen, dachte ich, dass dies ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein könnte. Letztlich wollte ich mehr über den Ansatz lernen und die Initiative unterstützen.
Wie könnte der Ansatz deine zukünftige Forschung beeinflussen?
Ich denke, die Anwendung des Ansatzes auf meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen könnte die Reichweite meiner Forschung erweitern und sie für andere Forschende nutzbar machen. Und zurück zu meinem Glauben, dass Wissenschaft offen zugänglich und transparent sein sollte: „Reborn-Artikel“ unterstützen diese Prinzipien, indem sie mir ermöglichen, alle Ressourcen, die ich zur Erstellung meiner Veröffentlichungen benutze, miteinander zu verknüpfen. Zum Beispiel die Rohdaten und Skripte, die ich zur Erzeugung meiner veröffentlichten Ergebnisse verwende. Ich hoffe auch, dass wir in der Zukunft viele weitere reborn Artikel haben werden, damit es für mich einfacher wird, Studien und Daten zu finden, die mit meiner Forschung zusammenhängen.
Wie können wir deiner Meinung nach den „Reborn-Ansatz“ verbessern und die Verbreitung in der Wissenschaftscommunity fördern?
Der Publikationsprozess ist bereits mühsam, daher wird es ein wichtiger Schritt sein, den Ansatz so weit wie möglich zu automatisieren, um Forschende zur Nutzung zu ermutigen. Ich denke, die Zusammenarbeit mit Verlagen und Zeitschriften könnte ebenfalls hilfreich sein. Wenn sie Forschende dazu anregen, den Ansatz zu verwenden, könnte dies dazu beitragen, ihn zu einem festen Bestandteil des Publikationsprozesses zu machen. Ich halte es auch für wichtig, zu betonen, dass der Ansatz Forschenden helfen könnte, die Wirkung ihrer Forschung zu erhöhen, weil er ihre Arbeit transparent und reproduzierbar macht. Das könnte ein weiterer wichtiger Anreiz sein, es auszuprobieren.
Quellen- Stocker, M., Snyder, L., Anfuso, M., Ludwig, O., Thießen, F., Farfar, K. E., Haris, M., Oelen, A., & Jaradeh, M. Y. (2024). Rethinking the production and publication of machine-reusable expressions of research findings (Version 1). arXiv. https://doi.org/10.48550/ARXIV.2405.13129 (pre-print)
- Castillo-Guerrero, J. A., Piña-Ortiz, A., Enríquez-Paredes L., van der Heiden, A. M., Hernández-Vázquez, S., Saavedra-Sotelo, N. C., & Fernández, G. (2020). Low genetic structure and diversity of Red-billed Tropicbirds in the Mexican Pacific. Journal of Field Ornithology 91(2):142-155. DOI: 10.1111/jofo.12334